Orakel international - Bolivien: Der Vogelflug verrät die Zukunft

Bolivien ist ein Binnenstaat in Südamerika, der zwischen Peru, Chile, Paraguay und Brasilien liegt. Ein Großteil Boliviens wird von der Hochgebirgskette der Anden durchzogen, weshalb man auch von der Andenregion spricht, die im Übrigens touristisch eine Attraktion ist wegen ihrer atemberaubenden Höhen und dem Panoramablick, den sie eröffnen.

Ein weiterer Höhepunkt an Sehenswürdigkeiten ist der berühmte Titicaca-See mit seinen heiligen Inseln, der Mondinsel und der Sonneninsel, alten Kultstätten. Das felsige Bergland ist schwer zu besiedeln, doch die Berghänge sind angenehm für die menschliche Zivilisation und bieten zudem fruchtbare Täler, in denen Obst- und Weinanbau gelingt. Die gesamte Republik Bolivien hat elf Millionen Einwohner und eine Sagen umwobene Hauptstadt, deren Name übersetzt „Friede“ lautet: La Paz.


Doch derselbe Staat gilt als eins der ärmsten Länder Südamerikas, und Gewalt und Korruption sind hoch, ebenso Elendssituationen unter der Bevölkerung, von der rund ein Drittel in Slums lebt. Trotz der relativ hohen agrarischen Erträge und dem Tourismus kann Bolivien, auch aufgrund der recht unsicheren politischen Lage, nicht als ein wirtschaftlich stabiles Land angesehen werden - Revolutionen und Putschs scheinen immer wieder vorzukommen, weil die Macht im Staat zu ungleich verteilt ist.

Die Religionen haben den armen Bürgern Boliviens jedoch von jeher Kraft gegeben, doch neben den Textbuch-Religionen auch die okkulten Künste, die Traumdeutungen, die farbenprächtigen Fantasie-Geschichten der Mythen, und immer wieder die Wahrsagerei, die es dem einfachen sterblichen erlaubt, einen Blick in eine vielleicht bessere Welt zu gewinnen. Betrachten wir einmal ein faszinierendes Orakel aus Bolivien, das mit den zeitlos gültigen Mächten der Natur zu tun hat – genauer gesagt, mit unseren gefiederten Freunden, den Vögeln, und ihrem geheimnisvollen Flug am Himmelszelt.

Die Technik der Ornithomantie (Wahrsagen aus den Vögeln, ornithoi) ist schon uralt und reicht bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück, auch wenn sie in Europa gern mit dem antiken Rom und dessen Sehern, den Auguren, in Verbindung gebracht wird, die aus dem Vogelflug die zukünftigen Ereignisse (Vorboten: „auspicien“) deuten wollen.

Denn bereits die Urvölker aller Kontinente bedienten sich ganz spezieller natürlicher Zeichen, sogenannter Omen, aus der Natur, um dadurch den Gang zukünftiger Ereignisse zu bestimmen. So wissen wir aufgrund von Ausgrabungen und Höhlenforschungen der Paläo-Ontologen (Urzeitforscher), dass bereits die Urmenschen eine Form von Schamanen hatten, welche mit Tieren und Tiergeistern in Verbindung traten – um das Jagdglück zu beschwören oder um die Rache der getöteten Tiere zu verhindern.


In der berühmten Höhle von Lascaux in Südfrankreich wurden Felsmalereien der Cromagnon-Ära gefunden, welche einen Schamanen zeigen, der vor einem Mammut auf die Knie fällt; er trägt Tierfelle und einen Stab, auf dem ein Vogel befestigt ist. So ähnlich kann man sich die Entwicklung der Ur-Zivilisation mit dem Schamanismus vorstellen, urteilen die Paläo-Ontologen.

In der Andenregion, genauer in Bolivien, haben sich Orakelbräuche bewahrt, die aus dem Flug von Vögeln positive oder negative Zeichen für die Zukunft ablesen wollen. Hier vermischen sich naturmagische, sogenannte totemistische, und mantische Techniken (Techniken des Verbindens mit Tieren, Totems, und Wahrsagekünste, Mantik). In Südamerika prüfen volkstümliche Seher den Himmel vor wichtigen Ereignissen und erspähen, ob bestimmte Vogelarten sich zeigen, die als glücksbringend gelten, oder als schlechte Vorboten.

Enten, Bekassinen, Falken und Adler zum Beispiel gelten als gute Anzeichen, Regenpfeifer und Eulen als Künder schlechter Nachrichten. Auch der Flug der Vögel kann einen Aufschluss geben über die Zukunft, die uns erwarten soll. Denn die Vögel gelten als Totem-Tiere, als heilige Übermittler von Kunden aus dem Universum – sie sind gleichsam Engel in Tiergestalt, glaubt man hier.