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Jugendliebe: Zwischen Jungbrunnen und Wiederholungszwang

Jugendliebe: Zwischen Jungbrunnen und Wiederholungszwang


Die Jugendliebe in unserer heutigen Form hat es nicht immer gegeben. Dass es eine individuelle Liebe gibt, ist relativ neu und hat mit den strikteren Besitzverhältnissen in der Neuzeit zu tun und der zunehmend kleinbürgerlicheren Form der Ehe und Familie.

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war eine freie Wahl von Partnern selten möglich, Ehen waren keine Frage der Zuneigung und es galt als Luxus, den Partner auch zu lieben. Mitunter kannte man den Partner nicht einmal. Spartanische Eheleute sahen sich oft jahrelang nicht bei Tageslicht und verkehrten nur im Dunkeln miteinander. Platon wetterte dagegen, dass es eine Unsitte im antiken Athen sei, junge Leute zu verheiraten, die sich oft nicht einmal von Angesicht zu Angesicht kannten.1 Dabei war die Anonymität der Ehen noch Gold wert im Vergleich zu der Praxis der rituellen Entjungferung im Tempel durch einen Priester.



Im antiken Zweistromland und in Indien war der erste Sexualpartner einer Frau manchmal der Priester, der rituellen Beischlaf im Tempel vollzog. Der Priester repräsentierte den Gott des Kultus, Baal, Shiva oder Osiris. In manchen Kulturen, so etwa im antiken Babylon, mussten alle Frauen sich mindestens einmal im Leben der so genannten Tempelprostitution hingeben. Das bedeutete, dass die Frauen, die so genannten „heiligen Mägde“ (hierodulè) sich für eine symbolische Geldgabe wie eine Münze oder gratis zum Beischlaf bereitstellen mussten für jeden Fremden, der den Tempel der Gottheit betrat.

Die Vorstellung einer individuellen Liebe war hier völlig zurückgewichen zugunsten der Erotik im Zeichen einer Gottheit, die anonym blieb und durch einen Fremden verkörpert wurde, an den die Frau weder Liebe noch überhaupt Bekanntschaft fesselte. Dieser kultische Brauch war nicht immer auf Zwang basierend und schien mitunter, historischen Quellen zufolge, den jungen Frauen durchaus gefallen zu haben.
 
Im alten Ägypten galt die Devise, dass Ehefrauen zwar keusch sein sollten, junge Mädchen jedoch keinem individuellen Partner verpflichtet seien und ihre sexuelle Freizügigkeit genießen – sie vergnügten sich im Tempel der Göttin Hathor. Die Jugend im alten Rom zog zu Beginn des Frühjahrs gern feierlich Lose mit Namen ihrer zukünftigen Partner für eine Nacht – das waren zwar Jugendlieben, aber recht beliebig.2 Im europäischen Mittelalter waren „Kommnächte“ nicht ungewöhnlich, in denen sich junge Leute recht zwanglos vergnügten.

Nicht einmal der Brauch weißer Kleider bei Hochzeiten war immer so gewesen: Bräute der Renaissance trugen Rot (und Shakespeares Julia hatte gar kein Brautkleid). Die Verklärung von erster Liebe und die Erhöhung der Jugendliebe ist historisch gesehen eine Frucht der späten Romantik, des 19. Jahrhunderts, das auch für mehr Konservativismus stand.

1Paul Frischauer, Die Liebessitten der Völker Bd. 1, S. 262
2 Zu magischen Liebes-Festen und Festtagsbräuchen in der Antike s. Zsuzsanna Budapest, Das magische Jahr (1999)

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